Ariadne war die erste Programmiererin

Minos war König auf Kreta und hatte den Fehler begangen, den Gott Poseidon bei einer Wette zu betrügen. Die Rache des Gottes bestand unter anderem darin, dass er einen Stier (wahrscheinlich war es aber Poseidon selber in Gestalt eines Stieres) zur Frau des Minos schickte, der mit ihr einen Sohn zeugte. Eben den Minotaurus, halb Mensch halb Stier und sehr wild.

Minos war entsetzt über diesen Sohn seiner Frau, beauftragte aber den berühmten Baumeister Dädalus, eine Behausung für den Minotaurus zu bauen. Die sollte zwar der Abstammung des Minotaurus angemessen sein (denn immerhin war die Königin seine Mutter), aber eigentlich doch eher die Funktion eines Gefängnisses haben. Dädalus entwarf daraufhin das berühmte Labyrinth, in dessen Mitte ein großer Hof dem Minotaurus genügend Lebensraum bot, aber den Weg nach draußen unmöglich machte.

Den Schrecken, den die Gerüchte über den Minotaurus verbreiteten, nutzte König Minos wiederum, um Rache an den Athenern zu üben. Einer seiner eigenen Söhne hatte alle Athener bei sportlichen Spielen besiegt. Worauf deren König so erzürnt war, dass er den Sohn des Minos umbringen ließ. Zur Strafe führte Minos Krieg gegen Athen und gewann. Die Athener mussten fortan alle neun Jahre sieben Mädchen und sieben Jungen nach Kreta schicken, die dann ihrem Schicksal im Labyrinth überlassen wurden.

Theseus, ein Sohn des Athener Königs und schon als Junge ein ziemlicher Draufgänger, wollte dem ein Ende bereiten. Er ließ sich als einer der sieben Jungen mit nach Kreta schicken, um den Minotaurus zu erschlagen.

Hier kommt nun Ariadne, Tochter des Minos, ins Spiel. Kaum sieht sie Theseus, verliebt sie sich auch schon in ihn. Und obwohl der Minotaurus ja ihr Halbbruder ist, will sie Theseus helfen. Wie aber kann sie das anstellen? Theseus würde vielleicht den Minotaurus alleine besiegen können. Aber wie sollte er seinen Weg durch das Labyrinth hinein und wieder heraus finden?

Durch Liebe und Verzweiflung angetrieben, hat Ariadne eine perfekte Idee. Sie gibt Theseus ein Fadenknäuel. Dessen Ende soll er am Eingang festbinden. Dann bekommt er noch die Anweisung, an jeder Verzweigung immer die linke Möglichkeit zu wählen, und wenn diese keinen Erfolg bringt, es mit der nächsten linken zu versuchen und so weiter. Dabei soll er beim Vorangehen immer brav den Faden abwickeln, und beim Zurückgehen aus einer Sackgasse auch wieder aufwickeln. So wird er keinen Weg zweimal laufen, sich also nicht verirren, und am Ende wird er den richtigen Weg zurück durch den Faden geführt.

Ariadne war wirklich ein kluges Mädchen. Denn das, was sie sich ausgedacht hat, nennt man in der Logik und in der Mathematik einen Algorythmus (fragt mal eure Mathelehrer danach!). Algorythmen braucht man, wenn man Maschinen für bestimmte Aufgaben programmieren will. Ariadne hat Theseus mit ihrer Anweisung also für die Aufgabe "Finde durch das Labyrinth" programmiert. Theseus musste keine eigene Entscheidung fällen, egal wie viele Wahlmöglichkeiten er hatte. Er musste nur wie eine Maschine der einmal gegebenen Anweisung folgen. Damit war Ariadne wohl die erste Programmiererin der Welt.

Theseus machte, was Ariadne sagte. Er fand den Minotaurus, erschlug ihn, nahm Ariadnes Faden wieder auf, kehrte an ihm entlang zu Ariadne zurück und floh mit ihr von der Insel Kreta. Das Liebesglück war allerdings nicht von Dauer, denn Theseus verließ Ariadne bald darauf. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.